<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> Nahuscha

Nahuscha

 

In Naumutschi, dem Daitiakönig, war den Dämonen ein neuer Writra erstanden. Als ein gewaltiger Kriegsheld führte er seine Scharen gegen die Götter und entriss der Herrschaft Indras weite Gebiete. Wieder und wieder stellte der Donnerer seine Heere von Rudras, Marutas und Gandharvas diesen Schrecken der Welt entgegen, wieder und wieder maß er sich im Einzelkampf mit dem furchtbaren Dämonenherrscher: der Sieg blieb aus!
Naumutschi behauptete, was er erstritten hatte, und stürzte die Welt in Sorge, durch neue Raubzüge in glückliches Land. Die Götter fragten die Rischi, die sieben heiligen Seher der Urzeit, um Rat, und die Heiligen rieten zu einem ehrlichen Frieden. Da auch die Götter nicht nicht bessere Hilfe wussten und Indra gestand, dass ihm der Daitiakönig an Kraft und Geschicklichkeit gewachsen sei, so gingen alle zur Grenze des Daitiareiches, und die sieben Rischi suchten Naumutschi auf. Der Dämonenfürst empfing die Heiligen voll Ehrerbietung und hörte ihre Friedensvorschläge willigen Herzens.>>Ich bin bereit, einen ewigen Frieden zu schließen!« sprach er ernst, >>doch trau‘ ich dem mächtigen Donnerer nicht. Er ist
vernarrt in sein Spielzeug: die Menschen und Tiere, Felder undWälder. Das Herz möchte ihm schier brechen, wenn ich mich inFrieden über die Erde lege und mit den Meinen Flüsse und Weiher austrinke, so dass die Geschöpfe ein wenig dürsten müssen. Ich traue dem Jähzornigen nicht! — Heilige Eide müssten ihn binden, senst schlägt er mich tot, sobald ich die Waffen abgelegt habe! — Er schwöre, mich nicht zu töten: bei Tage nicht und nicht bei Nacht, mit Wasser nicht und nicht mit Feuer, noch mit Waffen aus Stein, Erz, Holz oder allem, was fest ist! Spricht er den Eid, so will ich Frieden halten und das Jahr mit ihm teilen! « Und Indra sprach den Eid: » Bei Tage nicht und nicht bei Nacht, mit Wasser nicht und nicht mit Feuer, noch mit Waffen aus Stein, Erz, Holz oder allem, was fest ist, will ich den starken Naumutschi töten!« So ward der Friede geschlossen, und im Sommer streckte sich der Dämonenfürst über die Erde, um sie ein halbes Jahr lang zu drücken. Furchtbar litten alle Geschöpfe unter der verzehrenden Dürre. Weiher und Flüsse waren von den Dämonen ausgetrunken, versengt die einst blühenden Matten, die duftenden Wälder; und flehend stiegen die Gebete aus vertrockneten Kehlen zum Himmel empor. Nie noch hatte der Gabenspender Indra so lange gezögert. Das Ende aller Wesen schien nahe! _ Traurig saß der Weltenherr funkelnden Thron und sann, wie er die Erde von der Schreckensherrschaft Naumutschi befreie.
Oh, sein geliebter Donnerkeil! — doch der war eine Waffe - war aus Festem geschmiedet — das Feuer barg er in sich — oh! des schrecklichen Eides! Zornig sprang Indra auf und eilte zu seiner gequälten Erde. Da lag sein Feind im Dämmerlicht des Abends, lang hingestreckt, durch den Frieden geschützt, und schlief! Sein Haupt reichte bis ans Ufer des Meeres, und dem schnarchenden Rachen entstieg eine verzehrende Glut, die das Wasser des Meeres kochen machte, dass seine Oberfläche eitel Schaum war.
Wie der Blitz fuhr's in Indras Gedanken: Nicht Wasser ist der Schaum des Meeres und nicht Feuer! Waffe ist er nicht und nicht aus Stein, noch Erz, noch sonst aus Festem! und die Dämmerung ist nicht Tag noch Nacht! Jauchzend schlug er den Donnerkeil in die kochende Meerflut, dass eine Schaumwoge hochauf zum Himmel stieg und im Niederfallen den neuen Writra erschlug. Hei! wie jubelten Götter und Genien, wie trieben Waju, der Sturm, und die singenden Maruta strotzende Regenwolken herbei und ergossen deren Labsal auf die lobpreisende Erde!
Indra aber sank zu Boden und vergrub sein Antlitz vor Scham im Sande: Er hatte seinen Eid gebrochen!
Lange lag der Heißblütige so, dann schlich er im Dunkel der Nacht von dannen. Winzig klein geworden, verbarg er sich vor aller Welt im Wasser, im Stengel einer frisch erblühten Lotosblume. Kaum war der Götterkönig verschwunden, versiegte der Regen, die Erde vertrocknete aufs neue, Bäche, Weiher, Flüsse und Seen versickerten, denn Götter und Genien fühlten nicht mehr die Zügel der Herrschaft. Die Welt war ohne König, Zucht und Gesetzmäßigkeit im Schwinden. Wieder traten die Götter vor die sieben Seher und baten sie um Rat, baten, ihnen einen neuen Herrscher zu geben. Die Heiligen sahen die Not der Welt und schlugen den König Nahuscha, der in Weisheit und Milde über die Menschen herrschte, zum Himmelsherrn vor. Sie versprachen, ihn mit den Schätzen ihrer Gnade zu überhäufen, auf dass er stark genug werde,
um über die Dreiwelt des Himmels, der Erde und der nterwelt zu herrschen. Des waren die Götter zufrieden, und im feierlichen Zuge holten sie den Erwählten aus seinem irdischen Reich. Nahuscha trat auf das Tigerfeil vor dem Weltenthron, Weihwasser rieselte auf den Beglückten nieder, und so ward er der Beherrscher der Dreiwelt.
Doch Nahuscha war ein Mensch! Als er sich über Götter, Genien, Heilige und die ganze Erde gesetzt sah, vergaß er die schweren Pflichten seiner Erhöhung und langte gierig nach ihren leichten Freuden. Mit den schönen und heiteren Apsaras durchstreifte er die heiligen Haine in tollem Taumel, schwelgte mit den Welthütern an der Somatafel und lieh sein Ohr nur den lustigen Weisen der Gandharva, den preisenden Heldenliedern der brahmanischen Dichter und nicht den klagenden Gebeten der leidenden Menschheit.
Einst feierte er ein stolzes Fest in Indras Garten Nandana: Narada, der Götterbote, pries die kriegerischen Ahnen des Weltenherrn in begeisterten Hymnen; Apsaras tanzten über die blumigen Wiesen, und die Schellen an ihren zarten Knöcheln klirrten leise in die fröhlichen Weisen der Gandharva.
Wohlgerüche erfüllten die Luft, und ein kühler Wind erfrischte die tafelnden Götter. Um Nahuscha waren die sechs Jahreszeiten versammelt, die dem Herrn der Welt ihre köstlichsten Gaben gebracht hatten. Nach dem Somagelage streifte der Fröhliche durch den weiten Götterhain und erblickte die trauernde Schatschi. »Ist das nicht Schatschi, die Macht?« rief er, »des verschollenen Indra Eheweib? Warum dient sie mir nicht? — Ich bin nun Indra — ich der Götterkönig — der Herr der Welt! Und wahrlich! so schön ist Schatschi, dass sie stets nur das Weib des Erhabensten sein soll! -— Bringt sie in mein Haus!«_rief er zu ‚seinem Gefolge. »Ich will Sie zu meiner  Gattin erheben.! Als Schatschi die Worte Nahuschas hörte, entfloh sie und verbarg sich bei Brihaspati, dem guten Götterpriester. Dieser gewährte der Treuen gastlichen Schutz und prophezeite, dass Indra wieder erscheinen und über die Dreiwelt herrschen werde. Nahuscha tobte, dass die Welt erzitterte, als er hörte, dass Schatschi sich unter des Brahmanen Schutz begeben hatte. Die Götter baten ihn, seinen Grimm zu beherrschen, auf dass dieser nicht die Welt vernichte. Doch eigensinnig bestand der Götterkönig darauf, dass Indras Weib in sein Haus geführt werde. Da gingen die Götter, denen vor dem Zorne des Starken bangte, zu Brihaspati und baten ihn, um der Welt willen Schatschi auszuliefern, auf dass sie die Gattin des furchtbaren Götterkönigs Nahuscha werde. »Gib sie heraus! o Ehrwürdiger!« sprachen sie. »Nahuschas Grimm verzehrt sonst die Welt, denn weit stärker als Indra ist der neue Herrscher, da die sieben Heiligen ihm den Schatz ihrer Buße geliehen haben!« Doch Brihaspati sprach:

>>Wie kann ich die Schutzsuchende dem Verfolger ausliefern? - Glaubt ihr, so wenig gälten einem Brahmanen die Lehren des Weda? Muss ich die heiligen Sprüche erst nennen? — Euch sagen, das kein Regen fallt auf die Saat dessen, der einen Schützling ausliefert, dass Speise und Trank ihn verzehren, statt zu nähren, dass seine Kinder früh ins Grab sinken und seine Ahnen keine Ruhe finden, dass die Götter seine Gaben verschmähen und ihre Gaben ihm Not und Tod bringen! Habt ihr vergessen, wie Indra einst den König Usinara prüfte und belohnte? — So will ich es euch wiedererzählen: Der vielgepriesene Länderherr saß vor dem lodernden Opferfeuer, als eine Taube sich in seinen Schoß flüchtete. Ein schneller Habicht verfolgte die Zitternde, flog bis vor Usinaras Thron und forderte seine Beute von dem König.>>Gerecht wirst du gepriesen, o Herr!« so sprach der Habicht. »Gib mir, was ich erjagt habe, mich plagt der Hunger!«>>Wie könnt‘ ich  gegen die heilige Lehre verstoßen? « sprach der König. >>Wie dem Verfolger “geben, was sich vertrauend zu mir geflüchtet hat? -— Die Schuld würde lasten auf mir, als hält’ ich eine Kuh, eine Weltmutter, erschlagen oder einen Brahrnanen erwürgt! — Nie geb‘ ich den Schützling heraus!« »So willst du mich dem Hungertode preisgeben? — mich? und, bin ich tot, mein Weib und meine Kleinen? oh — vergiss nicht, weiser König: Pflicht steht gegen Pflicht! Lass doch die kleinere um die große zu erfüllen: gib mir die Taube! Es ist den Habichten gesetzt, die Tauben zu fressen!« »Nimm einen Büffel, kluger Vogel — einen Eber oder Hirschen — alles lasse ich dir geben, doch der Schützling ist mir heilig!« rief Usinura.>>Nicht Büffel, Hirsch und Eber will ich von dir erbetteln, König!« sprach der Habicht. >>Die Taube gib mir, meine müdgehetzte Beute und jene Nahrung, die des Schöpfers Willen mir zugesprochen hat! « »Nimm mein Reich und alles, was ich habe; der Schützling bleibt in meiner Hut!" erwiderte Usinara ernst.

>>Gib mir von deinem Fleisch soviel, als diese Taube wiegt, wenn du um alles an die Pflicht dich bindest! « rief der Habicht.>>Gerecht ist deine Forderung, weiser Vogel!« sprach der König und ließ eine Wage bringen. Dann schnitt er sich ein Stück Fleisch vom Leibe und wog es gegen die Taube. Doch der kleine Vogel wog schwerer als das blutige Fleisch des Edlen. Noch einmal schnitt das Messer in des Dulders Leib, und wieder ward das Opfer zu leicht befunden. Da trat Usirana auf die Wage und bot sich dem Habicht zur Speise.>>Indra bin ich!« rief der Vogel jetzt, >>und die Taube ist Agui! Wir kamen, dich zu prüfen, viel besungener Herr der Gerechtigkeit, und du hast bestanden wie Gold im Feuer, glücklicher Weiser! Steig‘ auf zu meinem Himmel und leuchte der Menschheit als Beispiel! «
So schützt ein Weiser, was sich seinem Schutze anvertraut! — Nie liefere ich Schatschi dem drohenden aus << schloss Brihaspati »So rate uns, wie wir die Welt beschützen vor dem Grirmmigen, der die Gnade der Rischi besitzt!« sprachen die Götter ergeben. Da dachte der edle Priester nach und sagte:>>Schatschi mag Nahuscha sagen lassen, dass sie dem Gewaltigen in sein Haus folgen werde, wenn er die sieben Heiligen vor seinen Wagen spannt. In einem Gefährte, so kostbar, wie noch keiner eins lenkte, fährt die Macht mit dem Allbezwinger zum Altar! — Hochmut ist Nahuschas Fehler, Hochmut wird ihn stürzen! « Die Götter brachten ihrem König die Botschaft der Entflohenen, und der Herr der Welt freute sich über Schatschis Willigkeit und das seinem Stolze chmeichelnde Verlangen. Er suchte die heiligen Seher auf und spannte sie an seinen Streitwagen: Zwei an jede Seite und drei an die Stange. Indessen halte Brihaspati ein stilles Opfer zur Auffindung Indras gerüstet. Der Agni der Opferflamme durchstreifte im Fluge die ganze Welt, doch fand er seinen Herrn und Freund nicht auf der festen Erde, noch in der blauen Luft. Unter Brihaspatis kräftigen Zaubersprüchen fuhr er in das gefürchtete Wasser und sah hier Indra in der Lotosblüte verborgen. Rasch rief er alle Götter herbei.
Und als die Herrlichen reinen Herzens des gewaltigen
Writratöters Kriegstaten und seine weise riedensherrschaft
priesen, da wuchs der in Sünde und Reue klein ewvordene Indra und stand plötzlich in seiner alten Stärke unter ihnen. Nun erzählten die Frohen ihm von Nahuschas schlechter Herrschaft und baten den mächtigen Donnerer, den Unwürdigen vom Thron der Welt zu stürzen und sie wieder, wie einst, zu beherrschen. Doch Indra schüttelte das Haupt:>>Woher nähm‘ ich die Kraft, den Nahuscha zu stürzen? — Ich, der unter der Sünde des Eidbruches seufzt, Film‚ den die Gnade der Heiligen trägt! « Und schweigend schritten die Götter alle zum Himmel. Dort hatte Nahuscha indessen sein seltsames Gespann gegen Brihaspatis Haus gelenkt, um die heißbegehrte Braut im Triumphe abzuholen. Dem ungeduldigen Verliebten zogen die Ehrwürdigen zu langsam des Weges. _ ‚ _
»Schleicht nicht so!« rief er zornig und spornte den heiligen Agastya mit der Ferse. Da war das Maß des Frevels voll, und die Macht des zum Weltherrscher erhobenen Menschen gebrochen! Die Heiligen hielten an, und auf Agastyas Fluch: >>So schleiche du durch die Ewigkeit!« stürzte Nahuscha als Schlange vom Wagen. Heute noch steht am Himmel das Sternbild: die sieben leuchtenden Heiligen an den Wagen gespannt, und daneben die stürzende Schlange! Indra aber ward im Himmel mit lautem Jubel empfangen. In einem sühnenden Rossopfer wälzten die Heiligen die schreckliche Schuld von seinem Herzen und verteilten ihr Wesen in der ganzen Schöpfung: Die Berge nahmen ein Drittel auf sich und bekamen davon die Schrunden und Risse: die Bäume tragen das zweite Drittel und schwitzen Harz unter der schweren Last; die Frauen büßen das letzte in stets wiederkehrender Schwäche. Indra aber ward rein und thront wieder mächtig über der Dreiwelt, an der Seite seiner getreuen Schatschi.