<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> Die zwölf Monde

Die zwölf Monde

 
Um diese Zeit waren zwölf Jahre der Verbannung
vorüber, und es galt, den zweiten Teil des verspielten
Gelübdes einzulösen: Zwölf Monde sollten die
Pandava, unerkannt dienend, in einer Stadt verleben.
Sie entschlossen sich, an den Hof des Königs
Virata von Matsya zu ziehen und verkleidet und unter
fremden Namen bei ihm Dienste zu suchen.
Der getreue Dhaumia zog mit dem geheiligten
Hausfeuer seines königlichen Herrn an den Hof
Drupadas, des Vater der Königin, um es den edlen
Dienenden zu behüten, bis es wieder auf eigenem
Herde flackern könnte.
Die wenigen Diener und die guten Brahmanen,
welche treu bei ihrem verbannten König geblieben
waren, fanden am Hofe Krischnas freundliche
Aufnahme. Die fünf tapferen Brüder aber und ihre
stolze Gattin zogen in die Knechtschaft. Judhischthira fand zuerst Aufnahme in das Gefolge Viratas. Seine edle Erscheinung hatte des Königs Aufmerksamkeit erregt. Er gab sich als Fahrender aus, der besondere Kunde im Würfel- und
Brettspiel besitze, und ward so dem Hofstaat zur
Unterhaltung des Königs einverleibt.
Bhima verdingte sich aus Koch, und seine Angabe,
daß er nebenbei auch ein unbezwinglicher
Faustkämpfer sei, sicherte ihm die Gunst des
königlichen Küchenmeisters.
Nakula fand als genauer Kenner der Rosse im
Marstall des Königs Dienste und brachte es bald zum
Marschalk.
Der versonnene Sahadewa nahm den Hirtenstab
und trieb die Rinder des Königs auf die Weide.
Ardschuna gedachte des Fluches seiner schönen
Ahnin Unwasi. Er suchte und fand Dienst im
Frauenhaus des Königs als Tanzlehrer der schönen
Prinzessin Uttaraa.
Draupadi irrte lange durch die Stadt bis sie endlich
vor der Königin stand. Dieser freundlichen Herrin bot
sie ihre Dienste als Kammerfrau an und legte Proben
ihrer Geschicklichkeit ab. Die Königin freute sich sehr
über die Gewandheit Draupadis, aber sie sprach ihre
Sorge aus, daß die Schönheit der Zofe sie mancher
Beunruhigung durch dreiste Werber aussetzen
würde. Da vertraute die Schlaue der Königin an, daß
fünf von den himmlischen Spielleuten ihr verlobt
seien. Diese tapferen Gandharva würden sie vor der
Zudringlichkeit jedes Mannes beschützen. So ward
Draupadi die Zofe der Königin von Matsya.
Im vierten Monat ward zu Ehren des Brahma ein
großes Fest in der Stadt gefeiert. Dabei erwarb sich
Bhima die Gunst alles Volkes, als er den Sieger in
allen Wettkämpfen, den starken Dschimuta, nach
kurzem Faustkampf bezwang. Doch seiner unbändigen Kraft harrte noch eine ernstere Aufgabe.
Kitschaka, der erste Feldherr des Königs, war in
Liebe zur Draupadi entbrannt. Als Bruder der Königin
hatte er oft Gelegenheit, sie zu sehen und ihr seine
heißen Anträge zuzuflüstem. Vergebens wies
Draupadi den Verliebten immer mit großer Kälte
zurück; er ruhte nicht und begehrte die kalte
Schönheit zum Weibe.
Als sein Drängen immer heftiger und schon eine
Gefahr für das Geheimnis der Pandava wurde, gab
Draupadi dem Ungestümen endlich ein Stelldichein
im Tanzsaal der Königin. Dort erwartete Bhima den
gefährlichen Toren und erwürgte ihn in der Stille der
Nacht. Draupadi sagte am nächsten Morgen, einer der sie
beschützenden Gandharva habe den oft Gewarnten
erwürgt. König und Königin untenwarfen sich diesem
strengen Gericht der Himmlischen, aber der starke
Anhang des kühnen Feldherrn  murrte und forderte,
daß die schöne Zofe mit dem Leichnam des Betörten
verbrannt werde. König und Königin mußten ihre Einwilligung
geben, wenn sie es nicht, um der Unbekannten
willen, zu blutigem Aufstand kommen lassen wollten.
Schon war der Scheiterhaufen auf dem Friedhof
geschichtet, und die traurige Zeremonie sollte ihren
Anfang nehmen, als der vermummte Bhima durch die
Büsche brach, eine junge Palme aus dem Boden riß
und damit unter die Trauergäste fuhr.
Über hundert hatte er schon erschlagen, ehe die
Entsetzten mit dem Schreckensruf: der Gandharva!
entflohen. Draupadi war gerettet, aber das Volk
verlangte, daß der König die gefährliche Gandharva-
braut aus dem Lande weise. Da bat Draupadi nur noch um dreizehn Tage Frist, denn so nahe war einstweilen das Ende der Verbannung gerückt, und die gütige Königin
gewährte diese Bitte.
Unterdessen war die Nachricht vom Tode
Kitschakas durch alle Lande geeilt‚ und Suscharman,
der König der Trigarta, den der tapfere Feldherr der
Matsya einige Male aufs Haupt geschlagen hatte,
glaubte die Zeit für seine Rache gekommen. Er sandte
Boten zu seinem Freunde Durjodhana und lud das
Kuruvolk zu einem Raubzug gegen die Matsya ein.
Kurz nach der Rettung Draupadis traf die
Nachricht ein, daß Suscharman mit starkem Aufgebot
in das Reich Viratas eingefallen sei und alle Herden
der Bewohner wegtreiben lasse.
Rasch rüstete Virata sein Heer und zog gegen die
räuberischen Nachbarn zu Felde. Judhischthira,
Bhima, Nakula und Sahadewa zogen mit ihm.
Kaum hatten die Krieger die Stadt verlassen, kam
schweißbedeckt ein Hirte und meldete, daß die Kuru
im Norden unter ihrem König Durjodhana die Grenze
überschritten hätten und unter der dortigen
Hirtenbevölkerung wie Räuber hausten.
Der junge Prinz Uttara, der einzige aus dem
Kriegerstande, der zum Schutze der Frauen
zurückgeblieben war, wollte den bedrängten Hirten
zu Hilfe eilen, doch fand er niemanden in der Stadt,
der seinen Streitwagen hätte lenken können. Da riet
die kluge Draupadi der Königin, der Prinz möge es
doch einmal mit dem Tanzmeister der Prinzessin
versuchen. Ardschlma wurde gerufen und bekannte sich zu
der nötigen Geschicklichkeit. Frohen Herzens ob der
kriegerischen Übung bestieg er den Wagen, und fort
ging's mit dem jungen Prinzen nach Norden.
Doch wehe: als Uttara von weitem die hundert und
aber hundert Krieger der Kuru sah, entfiel ihm der Mut, und er sprang vom Wagen, um zu fliehen.
Rasch packte Ardschuna ihn an den Haaren und
zog ihn wieder auf den Wagen. Dann wendete er
schtveigend und fuhr zurück. Doch nicht nach der
Stadt, sondern zu einem uralten Baum vor den Toren.
Dort hatten die Pandava vor einem Jahr ihre
Waffen und Standarten versteckt, ehe sie in die
Knechtschaft gingen. Schweigend rüstete sich der Starke mit Indras undurchdringlichem Panzer, mit dem getreuen
Gandiva, Köcher, Schwert und Streitkolben. Dann
pflanzte er das Affenbanner auf Uttaras Wagen, hing
Dewvadatta, die göttliche Drommete, um den Hals und
sprach zu dem staunenden Prinzen: »Ich denke, du
wirst gerne die Zügel ergreifen und mir mutig die
Rosse lenken, wenn du weißt, wer ich bin. Ein
Gelübde verbot mir bis jetzt, mich zu nennen, doch
heut' ist das Jahr herum. Ardschuna bin ich, der Sohn
des tapferen Pandu; Gandiva siehst du hier, den
starken Bogen Varunas. Göttliche Waffen trag‘ ich
und habe gelernt, sie zu führen. Auf, mein königlicher
Lenker, und mutig dem Feinde entgegen!«
Von Ardschunas Worten begeistert, sprang der
Jüngling an die Zügel, und fort ging's, was die Rosse
laufen konnten, gegen den Feind.
Im Innersten erschreckt, hörte Durjodhana den
Löwenruf aus Ardschunas Muschel über das
Blachfeld schallen. Er ahnte den starken Arm des
Rächers und ordnete seine Scharen zum Angriff.
Als der einzelne Wagen mit dem erlesenen
Kämpfer sich dem feindlichen Heerhaufen näherte,
taten sich die Wolken auf, und Indra mit den Göttern
sah auf das Schlachtfeld:
Schon hat das Schwirren Gandivas das Schmettern
Dewadattas abgelöst. Gellende Todesschreie mischen
sich in diese Kriegsweise. Durjodhana, Duchschasana, der junge Vikarna, der greise Kripa, ja selbst der
tapfere Karna, müssen heute dem Gandivaspanner
das Feld räumen.
Als wenn das Jahr im Frauendienst die Kräfte des
Kriegers verdoppelt hätte, so fliegt von dem schweren
Bogen Tod um Tod in die Scharen der Feinde, lüftet,
lichtet, zerreißt sie, bringt sie ins Wanken und treibt
die Reste in regelloser Flucht von dem Felde der Ehre.
Durjodhana und seine Getreuen wenden sich noch
ein letztesmal gegen den furchtbaren Feind. Ein
Schuß mit einem Zauberpfeil streckt sie alle betäubt
zu Boden. Uttara muß vom Wagen springen und
ihnen die prächtigen Mäntel abnehmen. Die will
Ardschuna seiner Prinzessin als Trophäe bringen.
Rasch ging's nun nach der Stadt zurück, um die
Nachricht vom Siege dorthin zu bringen.
Mittlerweile war Virata nach Hause zurückgekehrt.
Er hatte anfangs mit den tapferen Trigartas einen
schweren Strauß zu bestehen gehabt und war sogar in
Suscharmans  Gefangenschaft geraten. Doch der
starke Bhima hatte ihn wieder herausgehauen und
den König Suscharman im Zweikampf besiegt.
Gebunden brachte er den Friedensstörer vor Virata.
Auf Judhischthiras Rat entließ dieser den Gefangenen
ungekränkt in seine Heimat.
Als mit Uttara die Nachricht vom Siege gegen die
Kuru vor den König kam, umarmte er seinen jungen
Sohn voll Stolz und Freude und nannte ihn Sieger.
Doch der edle Jüngling lehnte alles Verdienst ab und
sagte, ein Gott sei vom Himmel gestiegen und habe
für ihn gekänipft.
Am nächsten Morgen gingen die Pandavas vor die
Stadt, rüsteten sich an ihrem hohlen Baum und
erschienen sodann im Glanz ihrer Waffen vor dem
König. Ardschuna, durch Uttaras begeisterte Schlacht-Schilderung vollauf beglaubigt, stellte dem König
seine Brüder vor, und lauter Jubel war im Lande der
Matsya ob dieser tapferen Bundesgenossen.
Virata bot dem Helden Ardschuna seine Tochter
Uttara an. Dieser nahm die liebliche Jungfrau mit
Freuden entgegen und bestimmte sie seinem Sohne
Abhimanju als Gattin.
Wenige Wochen darauf war die Hochzeit der
schönen Kinder zu Upaplavia, der Residenz König
Viratas.