<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> Das Spiel

Das Spiel

 
Mit allen Ehren ward Judhischthira und seine Brüder,
Draupadi, Kunti, Subhadra und das gesamte Gefolge des
Großkönigs, in Hastinapura empfangen. Am nächsten Tag, als alle Männer in der Halle bei einem festlichen Gelage versammelt waren, nahm das Spiel zwischen Judhischthira und Schakuni seinen Anfang. Das Würfelspiel war damals nicht so einfach wie heute. Es galt, in wechselnder Folge von Wurf und Zug bestimmte Zahlengruppierungen auf dem Würfelbrett zu erzielen.
Judhischthira war ein Meister in diesem Spiel und hatte
Durjodhanas Herausforderung gerne angenommen. Daß Schakuni diesem die Würfel führte, ward von dem arglosen Sohn des Rechtsgottes kaum beachtet.
Nun nahm das Unheil seinen Lauf. Satz um Satz verlor Judhischthira Gold und Edelsteine, Wagen und Rosse, Sklaven und Sklavinnen. Er erhitzte sich im Spiel, und Durjodhana blies n1it Spott in die Flammen. Vidura warnte: >>Hüte dich, Durjodhana! zähme deine Gier! Kennst du die Fabel von den goldspeienden Vöglein, die ihr Herr in seiner Gier erschlagen hat? « _ _ _>>Laß nur!« lachte Durjodhana, >> ich will dem Vetter nicht ans Leben, aber setzen soll er, wenn sein gepriesener Reichtum nicht schon alle ist!«
Judhischthira fährt auf: seinen Palast, mit allem, was darinnen
ist, setzt er aufs Spiel. Schakunis nächster Wurf bringt ihn darum. Nun folgt das Reich mit allem Volk, die Priester ausgenommen!
Vidura warnt: »Auf, Dhritaraschtra, verstoße den unnatürlichen
Sohn, der Haß und Rachsucht beschwört in seiner unstillbaren
Gier! Durch ihn muß dein ganzes Haus untergehen!«
>>Hör' nicht auf den giftigen Schwätzer, Vater!« ruft
Dmjodhana. »Er ist die Natter, welche im Hause der Kaurava
nistet. Stets hält er es mit den Pandava!«
Schakuni hat geworfen — Judhischthira hat sein Reich verloren! Und Wurf um Wurf bringt nun Nakula in die Sklaverei, Sahadewa, Ardschuna, Bhima und zum Schluß den sinnlosen Spieler.
Ins bange Schweigen höhnt Schakuni:>>Vonvärts, kühner Spieler! Dein letzter Einsatz steht noch aus!
Spiel‘ um die schöne Draupadi, wenn du dich aus der Sklaverei
lösen willst! « »Es gilt!« knirscht Judhischthira. Und Entsetzen über den frevelhaften Versuch malt sich in den Gesichern Bhischmas, Dronas und des guten Vidura.
Da fallen die Würfel — . »Gewonnen!« lacht Schakuni. —
Judhischthira schweigt. Durjodhana sendet seinen Wagenlenker ins Frauenhaus, um die neue Sklavin in die Halle zu bringen. Draupadi weist den Boten erzürnt zurück.
Nun sendet der Übermütige seinen Bruder Duchschasana, und
der Wilde schleppt die sich Sträubende an ihren Haaren in die
Halle. Der greise Bhischma hebt bei dem Anblick entsetzt die Hände zum Himmel und fleht:
>>Heilige Götter, straft den ruchlosen Frevel nicht am ganzen
Hause Bharatas!« Auf ihren Gatten wirft Draupadi einen Blick voll Zorn und Scham, der die Unglücklichen mehr schmerzt als der Verlust der eigenen Freiheit. Bhima braust auf: >> Verrbrennen möcht`ich  die Hände, die Draupadi verspielt haben. Oh! faß ich dich, Bruder Judhischthira, so sollst du das büßen!« »Schweig!« herrscht ihn Ardschuna an. » Er ist das Haupt unsrer Sippe, der König und Herr auch als Sklave. Willst du das Elend durch Uneinigkeit mehren?«
Und der unbändige Bhima neigt sich ehrerbietig vor dem Bruder und schweigt. Draupadi spricht mit stolzer Stimme:
>>Dein grober Bote, Duijiodhana, sagte, daß alle Pandava Sklaven seien. Nun frage ich dich: war Judhischthira noch frei, als er um mich spielte? «
» Sie hat recht!« jubelte Vikarna, der jüngste der Kaurava-
prinzen, ein anmutiger Jüngling. >>Die schöne Muhme ist frei,
denn Judhischthira war ein recht- und eigenloser Sklave, als er um sie würfelte! «
»Und ich sage: Sklavin ist sie!« rief Karna zornig.
>>Sklavin und Sklavengattin, die den König von Angaverschmäht hat! — Reißt ihr die Prachtgeivänder vom Leib! sie ziemen der Ehr— und Eigenlosen nicht! «
Der wilde Duchschasana sprang auf sie zu und packte ihr
purpurrotes Oberkleid. Hoch aufgerichtet stand Draupadi, den Blick gen Himmel erhoben, und betete:
»Erhabener Wischnu! Du wirst die Wehrlose schützen vor
Schmach!« Und ein Wunder geschah: sooft auch Duchschasana der Betenden den Purpur von der Schulter riß, war dort ein neuer, von königlicher Pracht, zu sehen.
Angstvolle Stille herrschte im Saal, nur Duchschasana setzte
keuchend seine Henkersarbeit fort. Da zitterte Bhirnas Stimme durch die Halle: >>Nie will ich mit den Ahnen an Indras Tafel Soma trinken, wenn ich nicht halte, was ich jetzt schwöre: Aufreißen werd’ ich im Kampf Duchschasanas Brust und trinken das Herzblut dieses törichten Auswürflings der Bharata!«
Alle starrten vor Entsetzen, nur Durjodhana höhnte:
»Nun, Vetter Judhischthira, König des Rechtes, wie denkst du
über den Rechtsfall: Herrin oder Sklavin"<<
Bleich vor Scham und Entsetzen, schwieg der Unglückliche und
wies mit der Hand auf den erwürdigen Großvater.
Da erhob sich Bhischma und sprach:
>>Versöhnt und vertragt euch, Enkel des Bharata, denn hier ist das Recht nicht zu finden! Judhischthira durfte als Sklave nicht würfeln, er hatte kein Eigentum, doch muß die Gattin dem Gatten folgen in Elend und Not! «
»Hört ihr?« jubelte Durjodhana, »meine Sklavin ist die Sto1ze!« Da tastete Gandhari nach der Hand des blinden Königs und flehte:
»Hif mir von diesem Sohn, mein Gatte, verbann' ihn, verstoß‘
ihn, er ist der Untergang unseres Hauses!«
Dhritaraschtra raffte sich auf und rief:
>>Halt! Draupadi ist frei, und für die Schmach, die sie erlitten, darf sie drei Wünsche tun! So will ich, daß meine Gatten auch des Sklavenloses ledig sind! «
>>Gewährt!« nickte Dhritaraschtra. »Was noch?«
>>Was noch? « lachte Draupadi unheilverkündend.>>Nichts! Die freien Pandava schwingen das Schwert und legen
mir die Welt zu Füßen! — Hütet euch!«
»Nein, nein!<< rief Durjodhana voll Sorge, >>das gilt nicht!
Sklaven sind die Pandava, Sklavin ist die Stolze! Hier, Draupadi, salbe meine Füße, wie es der Sklavin geziemt!« und aus dem Kleid streckte er sein nacktes Bein, um die Edle zu schmähen! Wieder hörte man Bhimas Stimme in verhaltenem Zorne erzittern:
»Nie soll Bhima mit seinen Vätern vereinigt werden, wenn er
nicht dem Frevler im Kampfe dies Bein zerschmettert!«
In das eisige Schweigen des Schreckens scholl auf einmal das
klägliche Heulen eines Schakals. Entsetzt sprang Dhritaraschtra von seinem Stuhle auf:
>>Der Unheilkünder! das böse Zeichen des Unterganges!«
murmelte er zitternd. »Geht, geht!« stammelte er, »Söhne meines Bruders — ihr seid frei — fort — fort — in euer Reich — niemand soll euch kranken — und ihr niemanden — geht —— geht!« Erschöpft sank der Greis in seinen Stuhl zurück.
Die Pandava riefen nach ihren Wagen und brachen eiligst nach
Indraprastha auf‘ Bald aber holte ein Bote Dhritaraschtras die Heimkehrenden ein und lud sie aufs neue nach Hastinapura.
Der Neiding Durjodhana, der wilde Duchschasana und der
ränkesüchtige Schakuni hatten den schwachen König
umgestirnmt. In düsteren Farben hatten sie die Gefahr geschildert, daß die zürnenden Helden an der Spitze ihres Heeres wiederkehren könnten, daß das Geschlecht der Bharata sich in blutigem Bruderzwist selbst vernichten würde. Einen einzigen Weg, den Krieg zwischen den nahverwandten Häusern zu vermeiden, wiesen sie dem Blinden: Ein letzter Gang mit den Würfeln! und der Verlierer sollte mit seiner ganzen Sippe widerstandslos in lange Verbannung ziehen.
Der schwachmütige Vater sah hier eine Hoffnung, den blutigen
Zusammenstoß zu verhindern, und sandte den Pandava jenen
Eilboten nach. Die kamen zurück und hörten die Bedingungen des Spieles: dem Sieger die Krone beider Reiche; die Sippe des Unterlegenen geht in die Verbannung, zwölf Jahre frei im Wald, als entthronte Fürsten hausend, zwölf Monde unerkannt in einer Stadt, das Joch der Knechtschaft tragend!
Judhischthira nahm die Bedingungen an, und —- dank
Schakunis Gewandtheit — fielen die Würfel zugunsten der
Kaurava.
Unter dem Hohnlachen der Sieger legten die Pandava ihre
königlichen Gewänder ab und bekleideten sich mit Fellen. Die
greise Mutter Kunti ward der Obhut des guten Vidura empfohlen; Draupadi ging mit ihren Gatten. Als sie die Halle verließen, hob Bhirna die Faust und schwur Durjodhana zu töten; Ardschuna sah auf Draupadi und schrie dann Karna seinenm tödlichen Haß ins Antlitz; Sahadewa aber schlug an sein Schwert und rief: »Dieses soll einst den Schuldigen treffen! Dich, Schakuni! der im Spiel betrogen hat! «
Und begleitet von vielem Volk, das die Tapferen immer geliebt
hatte, zogen die Verbannten nach dem Norden.
Am nächsten Morgen erschien der Götterbote Narada vor
Dhritaraschtra und verkündigle ihm den Untergang seines
Geschlechtes.