Karnas Tod |
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In wilder Flucht eilten die Haufen zurück, als ihr Feldherr gefallen war. Asrvatthama kam des Weges, und als er von den Erschreckten hörte, welch böse List über die sieghafte Kraft seines Vaters triumphiert hatte, da hob er die Faust zum Himmel und schwor: »Ich will ihn rächen, und müßte ich so falsch werden wie Krischna! « . Mit trotziger Rede sammelte er die Flüchtlinge um sich und führte sie wieder gegen den Feind, bis die Sonne hinter dem Berge Asta versank. Karna ward nun von Durjodhana zum Oberfeld— herrn ernannt, und der Scharen trotziges Schlachtgeschrei bewies, daß der Mut der Kaurava noch nicht gebrochen war. Mehrere Male stießen Karna und Ardschuna am Tage nach Dronas Tod zusammen, aber der Sohn des Sonnengottes mußte stets weichen: nicht vor des Pandava größere Kraft und Tapferkeit, sondern vor Krischnas unüberwindlicher Wagenführung! Am nächsten Morgen trat Karna deshalb vor Durjodhana und bat ihn, er möge Schalja, den König von Madras, der weit und breit als der kundigste Wagenlenker galt, für heute zu seinem Karnpfgenos- sen bestimmen. Der stolze Sschalja weigerter sich anfangs, dem >emporgekommenen Fuhrmannssohn> Dienste zu leisten, doch auf Durjodhanas eindringliche Bitte versprach er, Karnas Wagen im Kampfe zu führen, wenn er, der König und Königssproß, den Niedrigen, dem er heute dienen sollte, nach Herzenslust schmähen dürfe. Nachdem ihm die vollste Freiheit der Rede zugesagt war, bestieg er mit Karna den Wagen, und sie fuhren auf das Schlachtfeld. Aber die edlen Rosse stürzten nach den ersten Sprüngen zu Boden, und als Karna vom Wagen sprang und seine Lieblinge unter freundlichem Zuspruch aufrichtete, sah er Tränen in den Augen der treuen Tiere glänzen. Traurig ob des üblen Vorzeichens, doch fest im Gefühl seiner Pflicht als Krieger, bestieg der Held wieder den Streitwagen und ließ die Rosse gegen den Feind lenken. Viele siegreiche Kämpfe focht der Sonnensohn an diesem Tage aus. Mancher der starken Recken fand durch seine Waffen den Tod, manchen mußte er schonen um seines Versprechens willen: so den edlen Judhischthira, den er zur Flucht trieb, und den starken Nakula, welchen er mit seiner Bogensehne fesselte und so ins Pandavalager sandte. Aber der fieberhaft gesuchte Ardschuna mied den kühnen Helden auf Krischnas Rat, bis die Sonne den Scheitel ihrer Bahn überschritten hatte und langsam gegen den Berg Asta sank. Bhima wütete wieder unter Durjodhanas Brüdern und erwürgte viele von ihnen. Plötzlich sah er sich dem wüsten Duchschasana gegenüber. Da tauchte in seinem Innern das schändliche Bild auf, wie der rohe Vetter die edle Draupadi an den Kamen in die älivarfis überfiel ihn die Erinnerung an seinen Efid. Mit mächtigem Schwung seiner Keule schlug er Duchschasana vom Wagen und warf sich wie ein Raubtier über ihn. Mit den Nägeln riß er die Brust des Sterbenden auf und trank sein warmes Herzblut, wie er geschworen hatte! Die Kuruvölker flohen bei diesem Anblick mit einem Geheul des Entsetzens. Bhima aber taumelte empor wie trunken, griff nach seiner Keule und, seinen gefürchteten Schlachtschrei brüllend, stürzte er den Fliehenden nach. Noch zehn der Söhne Dhritaraschtras fielen an diesem Tag unter seiner schrecklichen Keule, aber rastlos tobte der Unbändige über das Schlachtfeld und spähte nach Durjiodhana, um auch an diesem seinen Schwur zu erfüllen. Indessen hatte Karna den Ardschuna und Ardschuua den Karna erblickt, und sie fuhren aufeinander los, um die lange Feindschaft in blutigem Kampfe auszutragen. Während Krischna seinen Kämpfer mit feuriger Rede und freundlichen Siegeswünschen ermutigte, schmähte Schalja den seinigen und zeigte ihm seine Feindschaft. »He?« höhnte er, als Karna rief, jetzt wolle er Ardschuna töten. »He?" prahlst du nicht elender Fuhrmaimssohn? — Du willst den Ardschuna töten? — Den besten Krieger aus dem Bharatageschlechte? Oh! — Kennst du die Fabel von der Krähe im Schwanennest?« >>Schweig, König der Madra!« stieß Karna zornig hervor. »Ja! König der Madra!« lachte Schalja, » König! — Doch du bleibst ein Fuhrmannssohn trotz der erbettelten Krone! — Die Krähe unter den Schwänen! — Kennst du die Fabel? — Sie war unter die jungen Schwäne geraten und hatte mit ihnen fliegen gelernt. Nun prahlte sie — wie du Karna! — sie flöge am besten von allen. Da strichen die stolzen Schwäne über das Meer hin, die Krähe folgte ihnen voll Eitelkeit, und — als sie vor Ermattung ins Wasser fiel — wäre sie elend ersoffen — wenn die edlen Schwäne sie nicht gerettet hätten! -— Prahle du nur — eitle Krähe — krächze gegen den Schwan Ardschuna — noch weiß ich nicht, ob ich dich retten werde! « »Du schmähst mich, König der Madra, als niedrig geboren, aber ich möchte nicht deines Stammes sein: verachtet sind die Madra auf der rveiten Erde, denn sie lügen und trügen und töten die Kühe, die geheiligten Nährmütter der Menschheit! Überall hört man Schimpflieder auf die Madra, denn sie sind das schlechteste unter den Völkern! « Während die furchtbaren Recken sich einander zum letzten Kampf näherten, öffnete sich der Himmel, und Götter und Genien sahen zur Erde, um die stärksten ihrer Helden miteinander ringen zu sehen. Indra wünschte seinem Sohne den Sieg und Surja dem seinigen. Da traten sie beide voll Ehrerbietung vor Brahma und baten ihn, keinem der beiden Menschen zu helfen: Kraft und Kühnheit allein sollten entscheiden! Doch der Allmächtige schüttelte sein Haupt und sprach: >>Mein unabänderlicher Ratschluß hat längst dem Ardschuna Sieg, dem Karna Tod zugewogen. So muß es bleiben! « Auf dem Kumfeld beginnt der Kampf: Alle Edlen drängen sich um die erlauchten Kämpfer. Die senden einander so viele Pfeile, daß die Sonne dahinter wie hinter Gewitterwolken verschwindet. Ardschuna schießt die Agniwaffe gegen den Feind, und hoch auf loden die Kleider von Karnas Gefolge. Doch Karna gebraucht die Varunawaffe, und die Wasser stürzen vom Himmel, jedes Fünklein verlöschend. Lange beschießen die Helden einander ohne Erfolg. Asvasena, ein Schlangenfürst, dessen geliebte Mutter im Kandavawalde verbrannt war, als Ardschuna den fressenden Gott mit seinen Waffen beschützte‚ legte sich heimlich als Pfeil auf Karnas Bogen. Der Wurm hoffte so auf Ardschuna geschossen zu werden und mit seinen fürchterlichen Giftzähnen die Mutter rächen zu können. Karna schoß, aber der wackere Krischna hatte die schreckliche Gefahr erkannt, und mit gewaltigem Ruck riß er die Rosse auf die Knie, so daß das Geschoß vorbeistreifte und nur den Turban samt Indras Diadem von Ardschunas Haupte riß. Der aber zerfiel im Gifte des Schlangendämons zu Asche und Staub. Rasch kroch Asvasena zu Karna zurück, gab sich ihm zu erkennen und bat, ihn noch einmal auf Ardschuna abzuschießen. Doch der Held wies den Giftwurm zurück: >>Nie will ich mit Wissen unehrlich kämpfen, und stünden mir zehn Ardschuna gegenüber statt des einen! « Da kroch der Schlangenfürst wieder zu Ardschuna, um allein seine Rache zu nehmen. Doch der wackere Krischna sah die Natter kommen, und der Gandivaspanner zerstückte sie mit fünf Pfeil- schüssen. Im folgenden Gefecht traf ein Pfeil Ardschunas Karna in die Brust, so daß dieser wankend die Waffen sinken ließ. Nach ritterlichem Brauch senkte auch Ardschuna die seinigen, um zu warten, bis sich sein Gegner gefunden hätte. Aber Krischna trieb zum Kampf: »Schone den Feind nicht, wenn du ihn geschwächt hast!« rief er. »Auch Indra hat die Dämonen vernichtet, ohne Großmut zu üben! « Doch Karna hatte sich schon erholt, und seine Pfeile schwirrten von neuem. Einer traf Ardschunas Banner, daß der Affe, sein Wappentier, laut aufheulte. Doch nun war Karnas Wagen in einen Sumpf geraten, und das rechte Rad steckte tief im Morast. »Halt!« rief der Edle, »1aß mich meinen Wagen herausheben tapferer Ardschuna! Du wirst nicht auf einen W ehrlosen schießen! « Doch da Ardschuna auf Krischnas Rat fortfuhr, Pfeil auf Pfeil zu versenden, ließ auch Karna den Bogen nicht sinken und schoß ein schweres Eisen gegen des Feindes Brust. Ardschuna schwankte betäubt von dem furchtbaren Schlag, und Karna sprang vom Wagen und legte die starken Hände ans Rad. Krischna erfrischte den Wankenden, und rasch fand sich Ardschuna wieder. Ein Halbmondeisen, von Gandjvas Sehne geschnellt enthauptete den edlen Karna, der noch immer vergebens an seinem versunkenen Rade zerrte. Gellendes Triumphgeschrei der Pandava schreckte die Kuru aus der Stille ihres Ensetzens. Der Leib des getöteten Karna aber strahlte in überirdjschem Licht gegen die untergehende Sonne. Krischna und Ardschuna bliesen Siegesjubel auf ihren Muscheln, und die Krieger schritten ins Lager, um sich für die letzten Kämpfe im Schlafe zu stärken. |