Amrita der Göttertrank |
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Nun war in jener Zeit der Götter Sehnsucht nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit erwacht. Die Zauberforrnel, welche Katscha von den Danawa geholt hatte, war durch Uschanas‘ Fluch der Welt verloren gegangen und hatte bei allen die Liebe zu ewigem Leben erweckt. Da traten die Aditisöhne vor Brahma und baten ihn um Rat. Und der Ewige sprach: »Sehet! im Wasser ist alles, was das Leben erhält! Das winzigste Kräutlein zieht seine Kraft daraus, wie der mächtige Elefant der Berge. Und das Wasser des Himmels fließt in Bächen und Strömen über alles Verwesendeletzten Lebenssäfte- Lebenskräfte mit und trägt sie in das weite Meer. Im Ozean ruht das ewige Leben! Auf! Sondert das Amrita, den köstlichen Unsterblichkeitstrank, von der salzigen Flut, wie der Hirte die goldgelbe Butter von dem bläulichen Nass der Milch! « Die Götter riefen die Dämonen herbei, denn sie wären allein für das Riesenwerk zu schwach gewesen. Die Söhne der Diti und der Aditi schlossen Frieden und machten sich an die segenverheißende Arbeit. Der Berg Mandara war zum Rührstock ausersehen. In gewaltiger Anstrengung rissen Götter und Dämonen ihn aus seinen Grundfesten und schleppten ihn zum Meer. Der Schildkrötenkönig Akupara bot seinen starken Rücken als Lager für den Riesenquirl, und Indra hob den Mandara auf den hochgewölbten Panzer des geduldigen Tieres. Nun fehlte es an einem Strick, um den mächtigen Rührstock zu drehen. Da hielt der Schlangenkönig Wasuki die Stunde für gekommen, in der er für sich und die Seinen der Götter Freundschaft und Dankbarkeit erwerben konnte: Er bot sich den Suchenden als Quirlstrick an. Der tausend Meilen lange Schlangenkönig schlang sich um den Mandara. Die Götter fassten seinen Kopf, die Dämonen den Schwanz, und in gleichmäßigem Hin und Her wirbelten sie das Meer durcheinander, dass der Gischt in die Wolken spritzte. Huii! sauste und rauschte das, als die Wellen hier Abgründe aufrissen, dort Berge auftürmten Donner erzitterte die Erde unter dem mächtigen Wogenprall. ' In jähem Wirbel wurden zuerst alle Fische in den brodelnden Abgrund gerissen. Immer schneller drehten Götter und Dämonen! Die Drehstürme rissen Vögel aus der Luft und warfen sie in den schäumenden Kessel. Und der Riesenquirl tanzte immer schneller! Die Tiere der Uferwälder wurden von Luftwirbeln in die Tiefe geschleudert, und alles Leben da unten zerstoßen, zermalmt, zerrieben! Baum und Gras wurden ineingerissen, und der Mandara glühte mitten im Meer und ergoss Ströme geschmolzenen Goldes und Silbers ins Wasser! Da gerannen plötzlich die tobenden Fluten. - Ein wunderschönes Weib in goldgelbem Kleide hob sich aus dem Schaum, in der Rechten eine Schale aus einem einzigen Edelstein tragend: darin war Amrita, der Trank der Unsterblichkeit. Das herrliche Weib war Lakschrni, die Göttin des Glückes, die leibhaftige Schönheit. Sie schlang den Arm um Wischnus Hals und wählte ihn zu ihrem Gatten. Die Götter tranken von dem köstlichen Amrita und gedachten nicht der Dämonen, die jenseits des Berges standen. Die leuchtende Schale ging von Hand zu Hand und ward nicht leer. Plötzlich bemerkten Sonne und Mond, dass sich Rahu, ein Dämon der Finsternis, unter die trinkenden Götter gemischt hatte und eben an der kostbaren Schale nippte. Erschreckt riefen sie Wischnu an, dieser schleuderte seine nie fehlende Wurfscheibe und schnitt damit Rahus Haupt vom Rumpfe. Tot sank der Leib des Dämonen zu Boden, denn der Unsterblichkeitstrank war noch nicht durch die Kehle gelaufen. Das abgeschnittene Haupt aber fliegt ewig durch den Weltenraum, denn unsterblich ist es durch das Amrita geworden: Brüllend verfolgt es Somie und Mond, kommt bald diesem, bald jener nahe und droht die Leuchtenden zu verschlingen — denn sie haben Rahu an Wischnu verraten. Als die Dämonen sich von den Göttem um das Amrita betrogen sahen, stürzten sie hinter dem Berg hervor, und es kam zu fürchterlichem Kampf. Aber die Unsterblichen erschlugen der Dämonen so viele, als sie umdrängten. Nur wenige konnten sich vor den streitbaren Lichtgöttem in die Tiefe des Meeres retten. Nachdem die Götter den Berg Mandant wieder auf seinen Platz gestellt hatten, traten sie mit dem Schlangenköni Wasuki vor Brahmas Angesicht. Sie priesen dem Ewigen die guten Dienste, die der Herr der Schlangen ihnen geleistet hatte, und baten den Weltenschöpfer, den Fluch der Kadru zu mildem, denn die Sorge um die Zukunft der Seinen verzehre den wackren Wasuki. Da sprach der milde Herr der Geschöpfe:>>Unauslöschlich steht der Mutter Fluch in meinem Simie, und zu viele der Giftwürmer schleichen unter meinen geliebten Geschöpfen umher. Sie sollen untergehen, auf dass die Welt gedeihe und der Mutter Wort geachtet werde wie meines! Nun eine kleine Schar von ihnen will meine Gnade erretten: Wenn Wasukis Schwester Dscharatkaru die Gattin eines frommen Einsiedlers wird, der, trotz seiner Gelübde, um ein Weib bettelt, so wird sie einen edlen Sohn gebären, welcher die letzten Schlangen vor den unwiderstehlich lockenden Zauhersprüchendes Opferpriesters bewahrt!. Traurig ob des unabwendbaren Verhängnisses schlich Wasuki von dem Lotusthron des Ewigen hinweg. Er sandte die Klügsten seines Volkes durch alle Lande, dass sie den Büßer suchten, welchen das Schicksal seiner schönen Schwester zum Gatten bestimmt hatte: das Geschlecht der Zickzackläufer sollte nicht aus der Welt verschwinden. |