Bhimas Abenteuer |
|
Als Bhima, nachdem er sich erfrischt hatte, mit einem Helm voll Wasser zurückkehrte, fand er Mutter und Brüder in ruhigem, tiefem Schlaf.
Ungestüm wallte sein Blut durch die Adern, da er vor den
Unglücklichen stand. In heißem Zorn biß er die Zähne zusammen und klagte dem Himmel das Elend der Seinen: Hier ruhten die Edlen, die im Prunk der Paläste erwachsen waren, auf rauher Erde, in Wind und Wetter, inmitten der Wildnis. Ärmer als die Ärmsten waren die Herrscher des Landes! Er gelobte, über ihrem Schlaf, dem einzigen Geschenk eines zürnenden Schicksals, in steter Treue und ohne Ermatten zu wachen. Nicht weit vom Lager der Pandava hauste unter einem mächtigen Feigenbaum der Riese Hidimbas n1it seiner Schwester Hidimbaa. Gar schrecklich war dieser Waldgeist anzusehen, als er sich im Erwachen auf seinem Laublager wälzte: wohl doppelt so lang und so breit als ein Mensch, rothaarig und bärtig, mit kleinen, tückischen schwarzen Augen _ ‚in seinem braunen, häßlichen Gesicht, aus dessem breiten Maul acht weiße, spitzige Zähne gierig hervorlugten. Denn Hidimbas war ein Menschenfresser und der leise Morgenwind hatte ihm den Geruch der lagernden Pandava zugeweht. Er gähnte langhin, juckte sich im Haar und weckte die Schwester mit einem freundlichen Fausthieb: >> He! Hidimbaa, mein gutes Schwesterlein, ich rieche Menschenfleisch: Sieh dich doch ein wenig‘ um und bring‘ die Leckerbissen her! dann wollen wir ein köstliches Mahl halten und lustig sein!« Hidimbaa erhob sich mürrisch und ging, dem feinen Geruch nach, durch den Wald, während ihr Bruder sich wohlig auf seinem weichen Lager räkelte und von dem leckeren Gericht träumte. Doch kaum sah Hidimbaa den wachenden Bhima von weitem, so wandelte sich ihr Sinn, und heiße Liebe zu dem schönen und starken Helden fiel in ihr ungefüges Herz. Rasch flüsterte sie ein Zaubersprüchlein, das sie in ein schönes Menschenweib verwandelte, und schritt aus dem Dunkel der Bäume auf den Geliebten zu. Bhima ging der Schönen verwundert entgegen. Hidimbaa neigte sich errötend und flüsterte: »Wer bist du, schöner Jüngling, den ich lieben muß, und wer sind die, die dort schlafen, ohne die schreckliche Gefahr zu ahnen? Wisse, ein menschenfressender Riese, mein Bruder Hidimbas, haust hier im Wald. Er hat mich nach euch gesandt, denn er will euch fressen. Doch ich liebe dich und begehr‘ dich zum Gatten, braunäugiger Held! Flieh' n1it mir! meine Zauberkraft trägt dich durch die Lüfte, und wir wollen auf unnahbaren Bergesgipfeln glücklich sein!« »Wie sollt‘ ich die Schlafenden verlassen, die mir vertrauen!« sprach Bhima, die Verführerin erschreckt von sich schiebend. »Wecke sie!« flüsterte Hidimbaa, >>ich rette euch alle!« >>Nein, nein! sie schlafen zu gut!« sprach Bhima kopfschüttelnd. >>Ich kann mit dem Kerl allein fertig werden! — führe mich nur zu ihm — ich fürchte nicht Tod und nicht Teufel und ein Riese ist mir gerade recht —« Während Bhima noch sprach, stürzte Hidimbas, dem das Warten zu lange geworden war, aus dem Wald, griff mit harter Faust nach der Schwester und begann die Verliebte zu schelten. Doch Bhima umfaßte den vorgestreckten Arm des Riesen, und wie der Löwe einen Büffel, schleifte er ihn über den Boden, acht Bogenschüsse weit. »Ruhig!« murmelte der Treue dabei, »wirst du ruhig sein! dort schläft meine Mutter und die Brüder! Willst du sie wecken um nichts ?« Da ermannte sich der Riese und faßte Bhima laut brüllend um den Leib. >>Lärme nicht! die Schläfer ruhen so sanft!« flüsterte Bhima und schleppte den Schreienden wieder ein Stück weiter fort. Nun ergrimmte Hidimbas und riß sich loß. Ein gewaltiger Kampf begann, bei welchem die Beiden Bäume entwurzelten und Felsen aufeinander warfen. Beim Toben des Kampfes erwachten die Pandava. Hidimbaa sprach den Lauschenden voll Angst von der Gefahr, in der sie schwvebten, und führte sie zitternd nach dem Kampfplatz. Da wüteten die beiden Kämpfer gegeneinander, wie sechzigjälnige Elefanten. Wie dichter Rauch wirbelten die Staubwolken empor. Ardschuna rief dem Bruder Mut zu, als er die zwei Starken wie Löwen ineinander verkrampft sah, und griff nach seinem Bogen. Doch Bhima wies jede Hilfe zurück. Mit Sturmeskraft umfing er den Leib des Riesen, und unter dem eisernen Druck der gewaltigen Arme wurde Hidimbas Brüllen zum Röcheln, die Augen quollen aus ihren Höhlen -— ein Krachen — und mit gebrochenem Rückgrat fiel die Leiche des Riesen zu Boden. >>Und nun die Riesenschwesterk rief Bhima mit rotfunkelnden Augen und stürzte auf Hidimbaa los. Doch Ardschuna trat dazwischen und der rechtlich dunkende Judhischthira, und sie beruhigten die Kampfwut des Unbärldigen. Der wischte sich Staub und Schweiß aus den Augen und sah verlegen die Riesenschwester als schöne Menschenjungfrau vor sich stehen. Schüchtern faßte er nach ihrer Hand und fühlte sie still unter den Banyanenbaum. Die Schöne gelobte, ein Jahr lang Bhimas getreues Weib zu sein und ihm, kraft ihrer Zauberkraft, die Wonnen aller Göttergärten auf den Bergeshöhen zu zeigen. Dann müsse sie ihn verlassen und ins Riesenreich zuückkehren. Und fröhlich zog Bhima nun tagsüber mit Hidimbaa durch die Lüfte, von Gipfel zu Gipfel; bei Nacht aber wachte er getreulich am Lager der Seinen, unter dem Banyanenbaum. Als das Jahr um war, schenkte ihm die Gattin einen starken Sohn, den Ghalotkatscha, und der wuchs noch in der Stunde seiner Geburt zum fertigen Mann. Mit ihm schlug Hidirnbaa, nach freundlichem Abschied, den Weg gegen Norden ein und entschwand den traurigen Blicken Bhimas für immer. Ghatotkatscha aber hat den Pandava später noch manchen guten Dienst geleistet. Um Bhimas Leid zu mildern, gaben die Verbannten bald nach Hidirnbaas Abschied das Lager unter der Banyane auf und zogen weiter durch den Wald. Als sie nach langem Wandern in eine Stadt kamen, gaben sie sich für Büßer aus und fanden bei einer Brahmanenfamilie freundliche Aufnahme. Tagsüber zogen sie einzeln von Tür zu Tür und erbettelten nach alter Büßersitte ihre Nahrung. Abends teilte Kunti alles Erbettelte in zwei gleiche Teile und gab die eine Hälfte dem ewig hungernden Bhima, von der anderen sättigte sie sich selbst und ihre vier übrigen Söhne. Eines Abends hörte Kunti im Zimmer des gastfreundlichen Brahmanen lautes Wehklagen. Und da sie sich tief in der Schuld der Guten wußte, lauschte sie, in der Hoffnung, ihnen ihre Hilfe anbieten zu können. Sie hörte den Hausvater klagen: >>Wie ist das Schicksal hart, das mich in den besten Jahren von euch ruft, ihr Lieben! — denn wie könnte ich weiterleben, wenn ich eines der Meinen dafür opfern müßte<< —— Dich, gütige Mutter meiner Kinder, oder die sündenreine Tochter oder den Sohn, das unschuldige Kind, dessen Gebet mir einst den Himmel aufschließen soll! « >>Mich lasset sterben vor allen!« rief die Mutter. »Was wäre eine Familie, der der Ernährer fehlt? Betteln müßten wir gehen! und wer schützte die vaterlose Tochter, wer lehrte den Sohn die Weisheit eines Brahmanen?« »Ich sterbe gerne für Euch!« sprach die Tochter. >>Mann und Weib sind eins, die mag auch der Tod nicht trennen! — Der Sohn versöhnt mit den Göttern, getreu seinem Namen — die Tochter aber heißt Sorge und hilfloser Jammer! « Gerade als Kunti eintrat, um von den Sorgen der gütigen Wirte ihren Anteil zu fordem, zog das kleine Büblein des Brahmanen einen Halm aus der Bodenmatte und lallte: »Bitte, bitte! nicht weinen! mit dem da schlägt Bubi böse Menschenfresser tot.« Mit Tränen in den Augen lachte die Bekümmerten über das kindliche Gestammel und herzten den tapferen Kleinen. Als Kunti nach der Ursache von Kummer und Klage gefragt hatte, hörte sie folgende Erklärung: Ein menschenfressender Riese namens Vaka halte die Stadt gezwungen, ihm nach jeder Vollmondnacht einen Büffel, eine Wagenladung Reis und einen lebenden Menschen zu senden. Diesmal hatte das Los die Familie des guten Brahmanen getroffen, und Vater, Mutter und Tochter, jedes von ihnen, wollte sein Leben für die anderen opfern. Da konnte die Mutter der Pandava Hilfe versprechen: Ihr Sohn Bhima sollte zu dem Riesen gesandt werden! Aber der Brahmane verschwor sich, er könnte den Gastfreund nicht für sich sterben lassen. Kunti gestand nun, wer sie und die Ihren seien, und bat, ihr Geheimnis zu hütten. Held Bhima aber, das wisse sie, würde den Riesen töten! Am nächsten Morgen zog Bhima mit einem Wagen voll Reis und einem feisten Büffel durch das Stadttor gegen den Wald, in welchem der Riese hauste. Draußen angekommen, erschlug er den Büffel, riß ein paar junge Bäume aus und brannte ein mächtiges Feuer an. Während der Büffel, an eine junge Tanne gesteckt, braun briet, machte sich Bhima über den Reis, glücklich, daß er einmal satt zu essen habe. Doch mitten in der Mahlzeit kam der Riese und schalt, daß ein Mensch sich in seinem Gehege breit mache. Aber Bhima, der noch nicht satt war, ließ sich nicht stören und aß mit sichtlichem Wohlbehagen von dem braungebratenen Rind. Vaka warf kopfgroße Felstrümmer nach ihm. Die wehrte Bhima mit der Linken von sich, mit der Rechten hielt er das letzte Viertel des Büffels und aß es schmatzend zu Ende. Dann sprang er auf, wischte sich die Händel am Moos ab und griff nach einem Felsblock. Geschickt wich Vaka dem schweren Geschoß aus. Nun begann ein Ringen wie einst mit Hidimbas: bald Leib an Leib, in mächtigem Stampfen die Erde aufwühlend, bald Felsen gegeneinander schleudernd oder entwurzelte Stämme wie Keulen schwingend, bekämpften sich die Starken. Es endete damit, daß Bhima den Leib des Riesen über seinem Knie entzweibrach. Die Leiche führte er auf dem leeren Wagen in die Stadt. Dort ward er vom Jubel des Volkes als Befreier empfangen und ihm zu Ehren im Rathaus ein prächtiges Siegesmahl gefeiert. Der gute Brahmane aber hielt sein Wort, so daß die Pandava unerkannt blieben. |