Wirschaparwan, der König der Danawa, hatte dem bußereichen Brahmanen Uschanas das Seelenheil der Seinen anvertraut. Als Hauspriester des Königs war der Fromme oberster Priester im Danawareich. Uschanas hatte in strengster Askese und tiefinnerster Sammlung der Natur das Geheimnis des Sterbens abgelauscht. Wen immer er mit seinen Zauberworten rufen mochte, der brach jede Fessel des Todes und trat lebend vor den gewaltigen Büßer. Da war die Weltherrschaft der Götter in Gefahr! Mochten ihre Waffen auch tausend und abertausend Dämonen in der Schlacht töten, das Zauberwort des Danawapriesters rief alle wieder ins Und die Leichen aus dem Heerbann der Götter blieben tot, denn der edle Brihaspati kannte das Zauberwort nicht. Jede Schlacht, und mochte sie auch für die Götter siegreich sein, zehrte an der Macht der Himmlischen. Mit Grauen gedachten die Götter des Lichtes der Zeit, da die Dämonen der Finsternis, der verzehrenden Dürre, die Herrschaft der Welt an sich reißen, die alte Ordnung zertrümmern und Elend über die Erde breiten würden Sie gingen zu Katscha, dem Sohn ihres Priesters Brihaspati, und baten ihn, Schüler und Jünger des mächtigen Dämonenpriesters zu werden.
Vielleicht lernte er die Kunst des Wiederbelebens von seinem Meister, vielleicht fand der schöne Jüngling Gnade vor den Augen Dewajanis, der holden Tochter Uschanas: Auch die Götter mussten den Tod überwinden lernen, wenn die Welt fürder unter ihrer Herrschaft blühen sollte!
Katscha neigte sich ehrfürchtig vor den hehren Hütern der Welt und kam ihrem Wunsche freudig nach:
Im Schülerkleid, mit einer Tracht Brennholz auf dem Arm, so trat er, wie es die Sitte erheischte, vor Uschanas, nannte seinen Namen und seine Herkunft, und bat den würdigen Asketen, ihm tausend Jahre als Jünger dienen und von ihm die heilige Lehre des Weda und alle Bräuche der Priesterkaste hören zu dürfen.>>Gerne nehme ich dich als Schüler auf, edler Jüngling!« sprach Uschanas, >>denn dein Vater, der ehrwürdige Götterpriester, ist mir wert! — Sei willkommen!« So lebte nun Katscha im Hause des Danawapriesters, und seine Dienstwilligkeit, seine bescheidene Freundlichkeit, sein kindliches Lachen, machte ihn dem Alten und seinem jungfräulichen Töchterlein Dewajani immer lieber! Fünfliundert Jahre hatteseerwselaonongelernt und gedient, da hörten die Danawa erst, daß Uschanas‘ Jünger der Sohn des Götterpriesters sei. Voll Sorge um das Geheimnis, dem allein sie ihre Macht verdankten, lauerten sie Katscha auf.
Als er eines Morgens die Kühe seines Lehrers auf die Weide trieb, erschlugen sie den edlen Jüngling und gaben seinen Leichnam den Wölfen zum Fraß. Dewajani ahnte nichts Gutes, als die Kühe ohne den Hirten heimkehrten. Und als vollends die Stunde der Abendandacht schlug, ohne daß der eifrige Brahmanenschüler nach Hause gekommen war, litt es sie nicht länger in ihrer Sorge um den lieben Freund. Sie wandte sich mit Tränen im Auge zum Vater und sprach: »Oh Vater! Katscha fehlt zur Abendandacht — er, der jeder Pflicht des Priesterslandes so pünktlich nachkommt — oh —- er ist gestorben — sie haben ihn ermordet — oh — ich will nicht leben ohne ihn!« Tröstend strich Uschanas über die Flechten seines lieblichen Kindes und rief den Vermissten mit seiner geheimnisvollen Zauberformel. Da zerriss Katscha die Leiber der Wölfe, die ihn gefressen hatten, lief nach Hause und erzählte der treubesorgten Dewajani, was ihm
geschehen war. Bald darauf lauerten die Danawa dem Wiedererstandenen von neuem auf und töteten ihn, als er beim Blumensuchen zu weit in den Wald geraten war.
Sie warfen den Leichnam ins Meer, doch Uschanas' Zauberwort reichte auch in dessen Tiefen, und Dewajani konnte den schmerzlich vermissten Gespielen bald wieder begrüßen. Zum drittenmal erschlugen nun die Danawa den Jüngling, verbrannten seinen Leichnam und gaben die Asche seinem Meister in Sura, einem berauschenden Getränk, zu trinken. Wieder klagte Dewajani dem Vater ihr Leid, doch dieser weigerte sich, sein Zauberwort zu sprechen: »Wie oft ich auch Katscha erwecken wollte, die Danawa würden ihn stets wieder erschlagen!« sprach er. >>Lass ihn ruhen! ‘weine nicht um den armseligen Schüler, da Götter und Danawa um deine Liebe werben‚«
»Oh — oh!« schluchzte Dewajani.>Wie kann ich meinem Schmerz um den edlen den lieben Gespielen, gebieten? —
Nein, Vater, nein! – Hungern will ich und dürsten, bis du mich mit ihm vereinst — oder der Tod! « »So will ich ihn noch einmal rufen!« sprach Uschanas, »und die Brahmanenmörder mit schweren Strafen bedrohen -— —.«
>>Halt ein!« rief da Katscha aus Uschanas' Leib, » Rufe mich nicht, ehrenwvürdiger Lehrer, denn du müsstest sterben. Die Danawa haben dir meine Asche im Abendtrunk gegeben! Du stirbst, wenn ich die Fesseln des Todes breche!« »Nun, Dewajani, hast du die Wahl: gilt dir des Gespielen Leben mehr als das des Vaters? << sprach Uschanas ernst.>>Weh' mir!« schluchzte Dewajani. »Wie soll ich einen missen von zweien, die ich liebe? — Oh, lass mich —- Vater — lass mich sterben!« »Wie schön, wie edel bist du, Katscha! dass meine Tochter so dich liebt!« rief Uschanas. >>Ersteh' aus meinem Blut aufs neue als mein Sohn — doch nimm zuerst den Zauber, der ins Leben ruft, dass du mich, deinen Vater, aus des Todes Banden lösest!« Darauf murmelte er die Zauberformel, und als der Wiedererstehende Katscha des Greises Adem sprengte,
fiel dieser um und war tot. Doch rasch belebte das Zauberwort des kundigen Schülers den Toten. Freudig schlössen die Drei einander in die Arme. Der Asketenfürst aber, welcher durch sein Suratrinken so viel Glück efährdet halte, verfluchte für alle Zeiten jeden Brahmanen, der der Lockung des berauschenden Trankes nicht widerstehen könnte: An Leib und Seele sollte der suratrinkende Priester gestraft werden, wie der Mörder eines Gerechten! Katscha blieb bis ans Ende seiner tausendjährigen Lehrzeit bei Uschanas. Als er Abschied nahm, um nach der Götterstadt zurückzukehren, bat Dewajani ihn hold verschämt, sie als Gattin in sein Haus zu führen. »O Schwesterlein!« sprach Katscha dawider, >>wie könnte ich dich freien, da wir doch beide eines Blutes sind? Uschanas, der mich aus seinem Blut zu neuem Leben gerufen hat, ist mein Vater, wie der deine! — Der heilige Weda und aller Völker Gebrauch verbietet solchen Bund. — Sonniges Glück wünsche ich dir, holde Schwester, doch unsere Wege müssen sich scheiden!« Damit grüßte er die Betrübte und eilte nach dem Himmel. Dort feierten ihn die Götter als Befreier aus schwerer Not mit vielen Ehren und jubelnder Freude. Dewajani aber drohte sich schier zu verzehren vor Sehnsucht nach dem Geliebten. Als Uschanas sein geliebtes Kind von Tag zu Tag bleicher werden sah, da verdachte er die Zauberformel, die an allem Schuld trug, auf dass sie für ewige Zeiten im Gedächtnis aller Geschöpfe erlösche. Seither bleiben Tote tot, und kein Götter—, kein Dämonenwort kann sie ins Leben rufen. |