<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> Amba und Shikhandin

Amba und Shikhandin

 

Zu jener Zeit lud der König von Kaschi alle Fürsten Indiens an seinen Hof, denn seine drei Töchter, Amba, Ambika und Ambalika, waren zu holdseligen Jungfrauen herangereift und sollten unter den Helden ihre Gatten wählen. Zum Fest in der Kaschistadt fuhr Bhischma in voller Wehr, und
als er die drei Lieblichen erblickte, hieß er sie auf seinen
Streitwagen steigen und rief: »Ich, Bhischma, des Schantanu Sohn und der Ganga, raube die bräutlichen Schönen. Tapferkeit sei ihr Kaufpreis! Heran‚ speergewaltige Helden! Wer wagt es, sie mir zu entreißen?« Da fuhren die Edlen auf, riefen nach ihren Rossen. Wagen und Elefanten, umringten den tapferen Gangasohn und drangen auf ihn ein. Doch der schoss Pfeil um Pfeil auf die Heranstürmenden, tötete ihre Tiere und schoss die goldgestickten Banner in Brand. Bald flohen die Bedränger vor diesem Pfeilhagel. Bhischma ließ die Rosse wenden und fuhr mit seiner schönen Beule nach Hastinapura. Die jungfräulichen Königskinder brachte
er zu der Mutter Satjawati, auf dass sie die Frauen des jungen Königs Witschitrarwiria würden. Als das Hochzeitsfest gerüstet: wurde, trat Amba vor Bhischma
hin und sprach: »Sage mir, Edler, der du alle Gesetze der Götter und auch die desMenschenherzens kennst: darf ich das Weib Witschitrawirias werden, wenn ich das Bild des schönen Königs von Schalwa im Herzen trage und mich ihm in süßer Heimlichkeit verlobt habe? — O unüberwindlicher Gangasohn, edelster Bharataspross, lass mich zu dem Geliebten ziehen!« Gerührt von Ambas Treue und Aufrichtigkeit und im Sinne einer Sitte, welche Gattentreue bis zum letzten Gedanken fordert, sandte Bhischma die Jungfrau in angemessener Begleitung nach
Schalwa. Doch der König von Schalwa. voll Eifersucht und in Furcht vor dem gewaltigen Bhischma, empfing die Getreue gar schlecht. » Geh‘, wohin du willst! « rief er. >>Nicht ziemt mir, zum Weibe zu nehmen, was ein anderer geraubt und im Überdruss von sich getan hat! Geh‘ hin zu dem Verhassten! Ich mag dich nicht mehr, denn
allzu willig folgtest du dem Entführer! « »Du täuschest dich, Edler!« sprach die Liebende unter Tränen. >>Mit Gewalt ward ich hinweggeführt und bitterlich weinend. Wende dich nicht von mir, die in steter Treue die Deine
sein will! « Doch der Schalwakönig verließ sie, wie eine Schlange ihre alte Haut. Traurig zog Amba aus der Stadt und verfluchte ihr Geschick. Durch fleißige Bußübung hoffte sie des Himmels Rache auf Bhischma herabzuziehen, denn in ihm sah sie den Schöpfer ihres Leides. Im Walde fand sie eine Siedelei von Büßern, klagte den guten Alten ihr Leid und bat, sie in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.
Unter diesen Sündenreinen lebte auch Ambas Großvater. Der hob die Trauernde auf und versprach ihr Hilfe: Sein Freund war Rama, der Sohn Dschamadagnis Brahmane und Meister des Waffenhandi-verks.Kein Kschattrija — so heißen die Söhne der Kriegerkaste – hatte ihn noch besiegen können. Diesem Priesterrecken sollte sie ihr Leid klagen, und der würde Bhischma zwingen, ihre Ehre durch Vermählung mit Witschitrawiria wiederherzustellen, oder sie an dem Verhassten rächen. Während der ehrwürdige Alte so freundlich und tröstend mit seinem Enkelkind sprach, kam ein Gefährte Ramas und meldete dessen Ankunft. Als der Abend sich über den Wald legte, kam der edle Rama: im Büßerkleid, mit Axt und Schrwert, den starken Bogen auf der Schulter und eine Schar von Schülern im Gefolge. Amba fiel vor dem tapferen Priester auf die Knie, und während sie mit ihren zarten Händen seine staubigen Füße berührte, klagte sie weinend ihr Leid und bat um die Hilfe des Starken. Vor den tränenerfüllten Augen der schönen Verstoßenen konnte der Priester mit dem Kriegerherzen seine Hilfe nicht versagen, obwohl er Bhischma als den besten seiner Schüler vor allem ehrte. Er versprach, Worte und Waffen daran zu setzen, dass die Schmach der Unglücklichen getilgt, ihre Makellosigkeit aller Welt kund werde. Am nächsten Morgen zog er mit Amba und allen Waldsiedlern gegen Hastinapura und sandte einen Boten mit seiner Forderung voraus.
Bhischma eilte seinem Lehrer bis zur Landesgrenze entgegen und begrüßte ihn dort voll Ehrfurcht. Die Forderung, Arnba seinem Bruder Witschitrawira zu vermählen, wies er zurück, »Wer lässt ein Weib, das einen andern im Herzen trägt, wie eine Natter in seinem Hause wohnen? « sprach er. Und als Rama drohte, die Erfüllung seiner Forderung mit den Waffen zu erzwingen, rief der tapfere Bhischma:>>Dich ehre ich, edler Lehrer, doch dein Unrecht muss ich bekämpfen! Ich will keinen Brahmanen töten, denn die größte Sünde ist Priestermord; doch des waffenüagenden Gegners darf ich mich erwehren, was auch daraus werde! Auf zum Kurufeld, dort wollen wir uns messen! « Und auf dem Kurufeld trafen die Gewaltigen einander, in schimmernder Wehr, auf goldgeschmückten Wagen, die mit Tigerdecken belegt und von kundigen Rosselenkern geführt wurden. Beim schmetternden Klang der Kriegsmuscheln fuhren sie aufeinander los, die starken Waffen in Händen. Amba sah zu und die Büßer aus dem Wald. Die Himmlischen verließen ihre Göttersitze, um die stärksten Recken im Kampf zu sehen, und die Menschen drängten, soweit nur ein Auge reichen kann. So dicht wie Schlossen sausten von beiden Seilen die Pfeile, und Rama tötete dem Bhischma vier herrliche Falben. Doch der hatte
ihn mit Pfeilen übergossen, dass er aus hundert Wunden blutete, und stand wie ein Strauch voll roter Blüten. Ein gewaltiger Schuss spaltete den Bogen Ramas. Nun griff der Brahmane zu den Speeren und schleuderte einen nach dem andern auf Bhischma. Ohne zu wanken stand dieser und fing sie mit dem starken Schild oder schoss auch manche mit breiten, vorne halbmondförmig geschliffenen Pfeilen in Stücke, ehe sie ihn erreichen konnten. Vierundzwanzig Tage kämpften sie so, vom Sonnenaufgang bis zur Dämmerung, die das Götterauge schließt. Weithin erscholl der Lärm, wenn Erz auf Erz schlug. Götter liehen den Starken ihre Waffen, und konnte doch keiner des anderen Herr werden. Wohl wankte Rama, als Bhischma ihm mit goldfiedrigen Rohren das Haupt spickte, dass er strahlte wie ein Berg in der Morgensonne,
doch senkte der Gangasohn in Ehrfurcht vor dem Lehrer die
Waffen, bis der Wagenlenker den Wunden gelabt und gestärkt hatte. Wohl wankte auch Bhischma, als ein Speer des Gewaltigen seinen Wagenlenker durchbohrte und ihn in die Lende traf; doch als er vom Wagen stürzen wollte, standen die acht Wasugötter, denen er seine Stärke verdankte, um ihn, glänzend wie die Sonne oder das opferfressende Feuer und duftend wie die Gärten am
Götterberg Kailasa. Die stützten und stärkten den Wankenden. Als Bhischma wieder aufrecht stand, sah er die Mutter, die göttlicheGanga, neben sich auf dem Wagen, den Stachelstock schwingend und die Zügel in kräftiger Hand. Nun sausten sie über das Kampffeld hin, und Bhischma schwang in seiner Rechten den goldbeschlagenen Speer des Schöpfers Pratschapati, den der Götterschmied einstens geschmiedet hatte. Als Rama die furchtbare Waffe sah, rief er, die Lanze senkend:
>>Genugl ich bin besiegt, denn du bist unbesieglich, Bhischma!« Nun sprangen beide Kämpfer vom Wagen, erwiesen einander alle Ehrerbietung und schlossen Frieden
Rama gestand Amba, das niemand ihr helfen könnte, denn
Bhischma sei unbezwinglich. Die Unglückliche zog darauf in die Wildnis und suchte von neuem durch fromme Buße den Zorn der Himmlischen auf Bhischma zu lenken. Nach langem Fasten, Beten, Dürsten, Zehenstehen und anderen qualvollen Übungen sah sie Schiwa, den Zerstörer, und er ließ sie eine Gnade erbitten. Da bat Amba: >>Sterben soll Bhischma, der Räuber, durch mich, die Geraubte, o Herr!«
» Gewährt! « sprach der Gott. »D0ch wie kann ich schwaches Weih den Heldenbezwinger fallen? « fragte die Verzückte, zitternd vor Furcht und Freude. »Nach deinem Tode wirst du an Drupadas Hofe wiedergeboren werden, und dann soll der Starke durch deine Schwäche sterben! «
Damit verschwand der Strahlende. Amba schichtete Holz zu einem mächtigen Haufen und legte Feuer daran. Dann sprang sie in die lohenden Flammen und starb mit dein Schrei:

»Zu Bhischmas Verderben! «
Zur selben Stunde aber wurde dem König Drupada von
Pantschala ein Kind geboren.

Drupada, der längst einen Sohn ersehnte, hatte die Götter in reichen Opfern um diese Gnade angefleht und seiner Gattin die köstlichsten Schätze für einen Prinzen versprochen. Als diese nun ein Mädchen zur Welt brachte, erschrak sie gar sehr, und um ihrem Gatten den Kummer zu ersparen, gab sie das Kind vor aller Welt für einen Knaben aus. Drupada ließ die üblichen Sohnopfer feiern, und das Kind wuchs als Prinz Schikhandin heran. Nur die
Mutter wusste, daß es ein Mädchen sei. Als der mächtige Dascharnerherr später mit Drupada ein Bündnis schloss, vermählte der Pantschalerkönig seinen vermeintlichen Sohn mit der lieblichen Tochter des Königs von Dascharna, um dem Bunde der beiden Reiche starken Halt zu verleihen. Doch wehe: die Prinzessin _ von Dascharna erkannte in Schikhandin das Weib und jagte die Verkleidete unter dem Gelächter ihrer Sklavinnen davon.
Als sie das ihrem Vater erzählte, rüstete der Ergrimmte sein Heer, um den Schimpf an Dmpada zu rächen. Der Pantschalerkönig war in Sorge um seine Herrschaft, als ihm die Gattin die Täuschung gestand, und seine Furcht wuchs, als ein Herold das Nahen des rächenden Dascharnerheeres meldete. Schikhandini, die sich für die Ursache des drohenden Unterganges hielt, lief voll Verzweiflung in den Wald, um dort zu sterben. Im Walde aber hauste ein guter Geist, namens Sthuna, ein Diener Kuberas, des Schatzgottes. Der sah das arme, weinende
Mädchen und versuchte es freundlich zu trösten. Und als die Tränenreiche vor Schluchzen keine Worte finden konnte, versprach er, vermöge seiner Zauberkraft jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, wenn sie sich nur endlich beruhigen t-volle! Nun erzählte Schikhandini, wie dem Reiche und Leben ihres Vaters Gefahr drohe, und bat Sthuna, sie in einen Mann zu verwandeln. So weit reichte nun die Macht des Waldgeistes nicht, doch um sein Versprechen zu halten, bot er ihr an, ein Jahr lang für sie als Weib im Walde zu leben. Sie könne derweil als Mann nach der Stadt gehen und den erzürnten Dascharnerherrn beruhigen. Nur müsste sie versprechen, nach Ablauf der Frist in den Wald zurückzukehren und das erborgte Manneswesen wieder mit ihrem weiblichen zu vertauschen. Dessen ward Schikhandini froh und gelobte auch, pünktlich übers Jahr zum Tausche zu kommen. So war sie nun wirklich Schikhandin geworden und wanderte in die Stadt. Der gute Sthuna aber verbarg sich als Weib im tiefsten
Dickicht. Der König von Dascharna schloss Frieden, sobald er Schikhandin als Mann sah, glaubte sich von seiner Tochter und deren Dienerinnen getäuscht und schalt sie ob ihres dummen Geschwätzes. Die Prinzessin aber tröstete sich bei ihrem schönen Gemahl. Nun kam zu jener Zeit Kubera, der Beherrscher der Genien und Geister, vor Sthunas Behausung und erwartete, von seinem Diener
gastlich begrüßt zu werden. Als der sich aber nicht sehen ließ, fragte der Gott die Tiere des Waldes nach ihm. Diese erzählten lachend und spottend, wie Stuhna ein Weib geworden sei und sich jetzt vor seinem Herrn schäme. Da ergrimmte der mächtige Gebieter der Geister und verfluchte den gutmütigen Toren, der aller Welt zum Gespött diente, so lange als Weib zu leben, bis Schikhandin als Mann auf dem Schlachtfelde sterbe. Als der Prinz, seinem Versprechen getreu, nach einem Jahr zu Sthuna kam, durfte dieser nicht in den Tausch willigen, und glücklich zog Schikhandin, in dem sich die Seele Ambas regte, zur
Stadt zurück und übte sich im Waffenhandwerk, um einst an Bhischma Rache zu nehmen.