<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> Draupadi

Draupadi

 

Nicht lange nach Bhimas Sieg über den Riesen zog ein
Brahmane aus Pantschala durch die Stadt. Er war auf einer
Botenreise, um die Fürsten des Landes zu Draupadis Gattenwahl einzuladen. Als der fromme Priester bei den Pandava übernachtete, erzählte er ihnen von der wunderbaren Geburt dieser schönen Jungfrau:
Drupada der König von Pantschala, hatte Haslinapura mit
Rachegedanken 1m im Herzen verlassen. So sehr er den
heldenkühnen Ardschuna bewunderte, so sehr haßte er den
Waffenmeister Drona, dem er sein halbes Reich hatte geben
müssen. Zwei fromme Brahmanen, die im ganzen Land als Heilige galten, rüsteten auf des Königs inständige Bitte ein prunkvolles Opfer, und Drupada erflehte von den Göttern einen starken Sohn, der ihn an Drona räche. Da sprang ein glänzend gewappneter Jüngling und eine lotusduftende Jungfrau aus den Opferflammen als Zwillingspaar, welches die Götter, in ihrer Freude am Opfer, dem greisen König und seiner Gattin schenkten. Der Jüngling ward Dhrischtadjumna genannt und die schöne, schwarzlockige Jungfrau Draupadi. Als die Pandava die Erzählung des Brahmanen gehört hatten, beschlossen sie, unerkannt, in ihren Büßerkleidern, an dem Feste am Hofe Drupadas teilzunehmen. Am nächsten Morgen nahmen sie freundlichen Abschied von ihren dankbaren Wirten und schlugen den Weg nach Pantschala ein.
An der Ganga hatte Ardschuna einen schweren Kampf zu
bestehen: Tschitrasena, der König der Gandharva, wollte die
Pandava am überschreiten des Stromes verhindern. Doch
Ardschuna besiegte ilm nach langem Kampf mit dem Bogen
Agneya, den der Lieblingsschüler Dronas einst von seinein
Waffenmeister erhalten hatte. Der edle Bharataprinz schonte den Besiegten, die Schwester Tschitrasenas riet dem Bruder zur Versöhnung, und so schlossen die beiden Gegner nun ein aufrichtiges Freundschaftsbündnis. Ein frommer Brahmane namens Dhaumia, der an Tschitrasenas Hof lebte, schloß sich dort den fünf tapferen Brüdern an und ward der Hauspriester der Pandava. Beim Abschied schenkte Ardschuna dem Tschitrasena die Waffe Agneya, und die fünf Brüder erhielten als Gastgeschenk hundert der herrlichen milchweißen Gandharverrosse. Sie ließen sie vorläufig in ihrem Stall, denn sie setzten ihre Reise als Büßer fort. In Drupadas Residenz nahmen die Pandava im Hause eines redlichen Töpfermeisters Wohnung und heischten, als büßende Brahmanen von Haus zu Haus gehend, milde Gaben für ihren Unterhalt. Auch auf dem Festplatz erschienen sie nur in ihrer Verkleidung.
Der Tag der Gattenwahl kam heran, und die Edelsten Indiens
zogen in die langgestreckte Arena. Dhrischtadjumna, mit Draupadi an der Hand, trat in ihre Mitte und rief:
»Seid gegrüßt, ihr Herren der Erde, die ihr um die Schwester
steht wie Speichen um eine Nabe: keiner der Erste, keiner der
Letzte! Durjodhana, Prinz von Kuru, mit deinen Brüdern: sei uns gegrüßt! Und du Schischupala, mächtiger Herrscher von Tschedi, Schalya, König von Madras, Jarasandha und ihr anderen Herren und Fürsten: Heil euch und Gruß! und höret, wie Draupadi wählt:
Hier liegt ein mächtiger Bogen aus der Zeit unserer Väter, drei
Menschenalter entspannt schon! Wer ilm besehnt und fünf glatte Rohrpfeile durch das Auge des silbernen Fisches am Ende der Bahn zu jagen vermag, den kürt die Schwester zum Gatten und folgt ihm noch heute nach Hause. — Auf, edelgeborene Krieger! der Preis ist des Sieges wert! «
Da trat Durjodhana vor, ergriff den Bogen, setzte das eine Ende, an welchem die Sehne hing, auf den Boden und hing sich mit aller Kraft an das andere, um es durch die Öse am freien Ende der Sehne zu zwingen. Doch wie er auch zog und mit dem Knie gegen die Wölbung des Bogens drückte, es fehlte immer noch eine gute Spanne zum Gelingen. Mit hochrotem Kopf stolperte er endlich bei seiner ruckweisen Arbeit und fiel, unter dem lauten Gelächter des Volkes und manches schadenfrohen Preisbewerbers, der Länge nach hin.
Doch die Nebenbuhler hatten zu früh gelacht: Was dem starken Kuruprinzen mißlang, das konnte auch  ihnen nicht gelingen. Schalya plagte sich vergeblich und der starke Schischupala von Tschedi, sowie jeder andere. Mancher fiel noch unter dem Hohn der Menge in den Staub.
Als letzter tritt Karna vor, der König von Anga: Ein Druck —- der Bogen ist gespannt — schon liegt der erste Pfeil auf der Sehne —. >>Halt!« ruft Draupadi. >>Dem Fuhrmannssohn werd‘ ich nie als Gattin folgen! «
Mit einem unsäglich traurigen Blick auf die trotzige Schöne läßt Karna die Armwe sinken. Im krampfhaften Spiel der Hände entspannt er den Bogen und wirft ilm zu Boden. Dann hebt er, ohne mit der Wimper zu zucken, sein Auge zum strahlenden Gestirn des Tages und eilt mit einem gellenden Lachen schmerzvollen Hohnes aus den Schranken.
Wo die Sitze der ehrwürdigen Brahmanen stehen, erhebt sich
ein Mann und springt über die Brüstung in die Arena.
Ardschuna ist es, von niemand erkannt! So rasch wie Karna
besehnt er den Bogen, sein Pfeil fliegt, und klirrend fällt das
silberne Ziel zur Erde. Draupadi legt ihm den Kranz um das Haupt und ruft: >>Dich, starker Held, wählt mein Herz! und das sei der einzige Richter!«
Laut jubelte das Volk, als nun Ardschuna, Draupadi an der Hand, mit der Familie des Königs die Arena verlassen wollte. Doch am Tor standen die abgefallenen Freier und schalten den König, daß er die Tochter einem Brahmanen geben wolle, da doch die Sitte der Gattenwahl nur in der Kriegerkaste Geltung habe. Sie drohten mit Worten und Fäusten und erhoben ihre Waffen. Da griff Ardschuna nach dem Bogen, mit welchem er eben die Braut gewonnen hatte. Bhima brach durch die Menge, n1it einem Baum, den er irgendwo ausgerissen hatte, und stellte sich neben den Bruder. Schalya, der König von Madras, stürzte mit Durjodhana gegen die beiden Kämpfer, doch Bhima vertrieb sie lachend mit seinem Baum. Karna sprang vor, aber als er auf Ardschunas Schulter die weiße Schnur des Brahmanen sah, neigte er sich voll Ehrfurcht und senkte die Waffen. Da gaben auch die anderen den Widerstand auf.
Die fünf Brüder, die sich einstweilen zusammengefunden hallen, neigten sich vor dem König und gingen mit Draupadi nach dem Hause des Töpfers. Als sie in die Stube traten, sprach Ardschuna: » Sieh. Mutter, was wir heute Köstliches bringen ! « Ohne aufzusehen sprach Kunti : » Genießt es alle miteinander, und der Himmel wird es Euch segnen!« denn sie dachte, die Söhne kämen von ihrem täglichen Bußgang und brächten die Almosen mit.
Während sie sprach, war Krischna eingetreten, ein Fürst der
Jadava und Brudersohn Kuntis. Er hatte seine Vettern auf dem
Festplatz erkannt und war ihnen heimlich nachgegangen. Der
begrüßte sie alle und sagte, daß man der Mutter Wort strenge
befolgen müsse: Draupadi sollte die Gattin aller fünf Pandava
werden, der leuchtende Mittelpunkt der Familie, deren ganze
Macht die Einigkeit war! Damit waren alle einverstanden, und nach Krischnas Abschied gingen sie zur Ruhe: Sahadeva, der Jüngste, breitete die Felle auf dem Boden aus. Darauf schliefen die fünf Brüder, zu Häupten die Mutter, zu Füßen die Braut. Am nächsten Morgen, als die Freier die Stadt verlassen hatten, erschienen die Pandava vor Drupada und gaben sich ihm zu erkennen. Da herrschte große Freude in Pantschala, denn die tapferen Brüder waren dem König und seinen Getreuen willkommene Bundesgenossen.
Zwar zeigte sich Drupada anfangs wenig geneigt, seine Tochter allen fünf Pandava als Gattin zu geben, doch Judhischthira, der Sohn des Rechtes, berief sich auf die alte Sitte ihrer unteilbaren Familie, und Krischna bekräftigte seine Worte dadurch, daß er ein paar Beispiele solcher Gruppenehen, aus uralter Zeit und edlen Geschlechtern, nannte. In aller Feierlichkeit traute Dhaumia, der neue Opferpriester der Pandava, allen fünf Brüdern die Braut an und ließ Draupadi mit jedem das Hausfeuer in sieben Schritten rechtshin umwandeln. Der Brautvater aber und die Hochzeitsgäste, vor allem Krischna, beschenkten die Neuvermählten mit Gold und Edelsteinen Blumen und köstlichen Spezereien. Wie ein Lauffeuer verbeitete sich die Kunde, daß die Pandava lebten. Sie kam auch in den Palast von Hastinapura, und der alte, blinde König freute sich laut, daß das Haus seines Bruders nicht untergegangen sei. Doch Durjodhana schalt darob den Vater vor dem ganzen Hof, und der kindische Greis stammelte verlegen von List und Verstellung, um den erzürnten Sohn zu beschwichtigen.
Durjodhana brachte alte und neue Pläne vor, um sich der
gefährlichen Thronbewerber zu entledigen, aber der redliche
Bhischina und der tapfere Drona bewogen den blinden König, den Ansprüchen der Pandava durch eine Teilung des Reiches gerecht zu werden. Der weise Vidura mußte nach Pantschala reisen, und er brachte die fünf Brüder samt ihrer Gattin, ihrer Mutter und dem Jadaverfürsten Krischna, der sich in inniger Freundschaft an Ardschuna geschlossen hatte, nach Hastinapura zurück. Dort geschah die Teilung ‘des Reiches. Der neidige Durjodhana und der ränkevolle Schakuni hatten es so zu wenden gewußt, daß der den Pandava zufallende Teil, die wüste Landschaft Kandavaprastha war. Doch die tapferen Prinzen focht das nicht an. Mit vielem, den Starken stets zulaufendem Volk, zogen sie in ihr Reich und bauten dort eine große Stadt, die sie, dem Götterkönig zu Ehren, Indraprastha nannten.